Ein Treffleiter auf Abwegen, oder 
Back to the roots: Eine ganz persönliche Reise in meine Vergangenheit

Ein bisschen vermessen fühlt es sich - trotz der vielen Ermunterungen - doch immer noch an, diese Zeilen zu tippen. Schließlich war ich lediglich eine Woche unterwegs - kein halbes Jahr - bin weder über die Alpen noch durch die Rockys geritten, "nur" über Hunsrück und Rhein in den Taunus, alles in unserem kleinen Rheinland-Pfalz, habe also nicht mal die Grenzen des Bundeslandes verlassen, das kann doch jeder! - Und genau das ist der Punkt! Ich möchte von einer kleinen, aber feinen Reise berichten, die - so oder ähnlich - nahezu jeder mit ein wenig Vorbereitung und verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand selbst antreten kann!

Rückblick: 1994, Karnevalsreiten auf dem Hofgut Bissingen in Braubach

Als kleiner Junge saß ich, geschminkt und verkleidet als mein Kindheitsheld Winnetou, zum ersten Mal im Leben auf einem Pony. Und dieses Pony, "Wurzel", war natürlich kein schnödes Allerweltspony, nein! Ausgerechnet er war gemustert wie ein Lehrbuch-Appaloosa! Ein Blick in den Reithallenspiegel und ich war vom Pferdevirus infiziert. 15 wunderschöne Jahre sollten es schließlich mit den geliebten Ponys und Schulpferden auf dieser Reitanlage werden, unzählige Erinnerungen fürs Leben!

2023: Planung einer ganz besonderen Reise

Anlässlich meines 30-jährigen Reitjubiläums kam mir schon früh der Gedanke, etwas ganz besonders unternehmen zu wollen: Ein Ritt in die Vergangenheit, dorthin wo alles begann, in die "zweite Heimat"! Geboren wurde ich zwar 1983 hier in Bad Kreuznach, wir zogen allerdings schon 1986 nach Braubach und 1989 nach Lahnstein, wo ich bis 2009 aufwachsen sollte, bevor der Antritt meines Referendariats mich schließlich wieder zurück ins Naheland führte.

Der grobe Plan war also gefasst: Start im heutigen Heimatstall am Glan, über den Hunsrück, mit der Fähren von St. Goar nach St. Goarshausen und schließlich auf dem Hofgut Falkenborn in Dachsenhausen ankommen, wo ich damals das Glück hatte, fünf Jahre lang den wundervollen Shagya-Araber "Aziz" reiten zu dürfen, mit dem ich vor 15 Jahren auch auf meinen ersten Wanderritt ging (parallel zu den Schulpferden auf Bissingen - dank der alten Studienordnung hatte ich als Student noch die Zeit, täglich sogar in zwei Ställen parallel reiten zu können) .
O-Ton der Betreiberin: "Also, Wanderreiter hatten wir hier bei uns auf der Anlage noch nie, aber Papa meinte, 'zum Andy können wir nicht 'nein' sagen, das kriegen wir schon hin!´".

Die Wanderreitstationen auf dem Weg waren dank Hunsrück zu Pferd, der Wanderreitkarte und Mundpropaganda schnell gefunden und abtelefoniert, die Organisation stand, es mussten "nur" noch die Strecken geplant und geritten werden.

2024: Planänderungen

Begeistert von der Idee, sagten gleich zwei befreundete Reiterinnen zu, Donnie und mich auf der Reise zu begleiten – beide fielen aus gesundheitlichen Gründen aus. Und nun? Absagen war keine Option und "Ursprünglich hattest du doch eh vor, alleine zu reiten!", erinnerte mich meine Frau.

Tag 1: Der Start, der Held

Mit leicht mulmigem Gefühl, aber weitaus überwiegender Vorfreude fuhr ich montagsmorgens zum Stall, wo meine Miteinstellerinnen Birgit und Ricci mit einem gemeinsamen Frühstück auf mich warteten. Schließlich müsse man uns doch gebührend verabschieden und könne und mich nicht hungrig auf die Reise schicken. Gut gestärkt führte ich Donnie, den wahren Helden dieser Reise, in den Stall. Vor 8 Jahren hatte ich das große Glück, dass dieser damals 3jährige, schmächtige, ungerittene Appaloosa-Reitpony-Mix meinen Weg durch Zufall kreuzte, obwohl ich eigentlich immer "wenn überhaupt sowieso nur einen Araber kaufen" wollte. Auch wenn es im Laufe der Jahre einige Rückschläge gab und streckenweise sehr viel Geduld erforderlich war, sind wir inzwischen doch zu einem echten Team zusammengewachsen. Der Gedanke, dass wir überhaupt erst seit ca. einem Jahr zuverlässig alleine (ohne andere Pferde) ins Gelände reiten können, sorgte vor Beginn der Reise doch hin und wieder schon mal für ein leicht mulmiges Gefühl. "Ach, wenn der doof wird, steigst du eben ab und führst ein Stück. Das macht der doch immer zuverlässig, das wird schon!", bestärkte mich meine liebe Trainerin Dani. Ich verrate noch nicht zu viel, wenn ich sage: Es war kein einiges Mal nötig!

Der erste Abschnitt unserer Tour war eigentlich nichts Besonderes: Gewohntes Ausreitgelände, zwei Tage zuvor war ich im Nachbarort noch mit dem Pony auf der Kerb und beim "3sinenwirt" – und dennoch fühlte sich da etwas anders an. Ein Gefühlsgemisch von Vorfreude, Nervosität und auch ein bisschen Ungläubigkeit – die große, lange geplante Tour in die zweite Heimat, geht sie wirklich schon los? Ziehen wir das wirklich durch?

Nach und nach ließen wir schließlich die bekannten Wege hinter uns und konnten die Schönheit des vorderen Hunsrücks genießen. Die ursprünglich vorhergesagte, sengende Hitze stelle sich nicht ein, sodass wir nach 26 km wohlgemut bei unserer ersten Unterkunft ankamen. Nachdem Donnie versorgt war, richteten meine Frau – die mir zu jeder Station mit unserem Wohnwagen folgte (Danke!!!) – und ich uns häuslich ein und freuten uns schon auf die Weiterreise.

Tag 2: Pferdehof Dilligsmühle, Kümbdchen bei Simmern (Hunsrück zu Pferd: Station 25)

Auf unserem zweiten Ritttag erwarteten uns wieder wunderschöne Wege, teils abenteuerlich (O-Ton der Waldarbeiter: "WO wollt ihr hin? Hammer! Dürfen wir Bilder machen? Geht ruhig durch die Baustelle, das ist einfacher, im Wald liegt hier momentan alles quer!", teils besinnlich, wie bspw. die Eremitage Reizenborn - die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, ist alleine schon einen Besuch wert!

Und was wäre ein echter Wanderritt mit Donnie, wenn er nicht einen Teil der Ausrüstung zerlegen und meine MacGyver-Fähigkeiten auf die Probe stellen würde?

Auch unser Quartier, die Dilligsmühle, möchte ich wirklich jedem ans Herz legen, der nicht auf ein Gästezimmer angewiesen ist (seit 2024 ist dies aus Gründen einer Umstrukturierung leider nicht mehr möglich). Hier wurde uns wieder einmal ganz besonders bewusst, wie wichtig die Gastfreundschaft für das Wohlbefinden von Reitern wie Trossern ist! Alle waren von Anfang an super freundlich und hilfsbereit, man fühlte sich als Gast einfach sofort willkommen. Zudem war hier einfach alles urgemütlich. Über unsere Nachtruhe wachten die Landseer-Hunde, die uns ebenfalls direkt ins Herz geschlossen hatten - was selbstverständlich auf Gegenseitigkeit beruhte! Hierher kommen wir sehr gerne wieder und sagen daher nicht "Tschüss" sondern "Auf Wiedersehen"!

Tag 3: Von der Dilligsmühle zum Bioferienhof Loreley in St. Goar / Biebernheim

"Schade, dass ich heute arbeiten muss, sonst hätte ich dich gerne ein Stückchen begleitet - beim nächsten Mal dann!", mit diesen lieben Worten verabschiedete mich Christiane Pries von der Dilligsmühle und gab mir noch den Geheimtipp, auf meiner Weiterreise einen Abstecher zum Klingelfloß zu machen - und sie hatte wirklich nicht zu viel versprochen!

Der, mit 41 km streckenmäßig längste Ritttag unserer Reise, führte uns von nun an wieder durch die wunderschönen, abwechslungsreichen Landschaften des Hunsrücks. Was mir ganz besonders in Erinnerung bleiben sollte, war die Ruhe, in der ich hier alle Gedanken getrost schleifen lassen konnte. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass außerhalb der Ortschaften wesentlich mehr Hasen und Rehe als Menschen unsere Wege kreuzten. Wer sich wirklich einmal so richtig aus dem Alltag ausklinken möchte, ist hier genau richtig!

Bei Pfalzfeld mussten wir schließlich die A61 überqueren. Doch - wie ursprünglich geplant - einfach nur drunter durchreiten, klang dann irgendwie doch zu langweilig! Sollen wir vorher nochmal durch den Drive reiten? Auf dem Weg zum Biobauernhof wirklich nochmal veganes Fastfood essen? Ach egal, den Spaß gönne ich mir! "Super Ferrari, besser als Ferrari!" - der italienische Kassier am Schalter war jedenfalls begeistert und machte fleißig Fotos.

Jenseits der Autobahn erwartete uns wieder die liebgewonnene Stille der Wälder und Felder, bis wir am Abend schließlich mit einem herrlichen Blick auf unser Tagesziel, idyllisch auf den Rheinterrassen gelegen, belohnt wurden. Auch hier wurden wir wieder sehr herzlich von den Betreibern Angela und Walter Pabst begrüßt, die geduldig auf uns gewartet hatten, um uns alles Wichtige für den Abend zeigen und Donnie in den wohlverdienten Feierabend auf seiner Weide entlassen zu können. Wie am Vortag auf der Dilligsmühle fühlten wir uns von Anfang bis Ende sehr wohl und willkommen!

Tag 4: Von St. Goar zum Hofgut Falkenborn in Dachsenhausen

"Ach, bei der Beate [Lamp, Pferdehof Unterauerhell, Hunsrück zu Pferd: Station 31] warst du auch schon! Das ist ja toll! Mit der hatte ich früher - zu meiner aktiven Zeit - auch viel zu tun! Richte mal ganz, ganz liebe Grüße aus! Da sind mir beim Lesen viele schöne Erinnerungen wiedergekommen!"

Mit diesen Worten übergab mir Angela Pabst mein "Wanderreitbüchlein", in das sie mir zuvor einige sehr liebe Worte niedergeschrieben hatte. Dieses hatte mir meine Frau ursprünglich als Reisetagebuch geschenkt. Nachdem allerdings meine gute Freundin Kri und ich auf unsrer Tour ins Elsass vor zwei Jahren feststellen mussten, dass die Tradition der Gästebücher auf nahezu allen Wanderreitstationen verschwunden ist, fasste ich den Entschluss, den Spieß umzudrehen und von nun an alle Gastgeber, bei denen ich mich ganz besonders wohl gefühlt hatte, zu bitten, ein paar Worte in diesem Büchlein zu hinterlassen.

Voller Vorfreude marschierten wir nun Vater Rhein entgegen, genauer gesagt der Fähre zwischen St. Goar und St. Goarshausen - für mich persönlich ein Symbolbild der Verbindung zwischen meiner alten und neuen Heimat. Bergab ging es zunächst der Hauptstraße entlang, die mitten durch einzelne Bauwerke der Burg Rheinfels hindurchführte und somit mittelalterlichen Scharm versprühte. Unten angekommen spazierten wir noch einmal durch die Fußgängerzone, wo ich mir noch ein paar Kugeln Eis gönnte, bevor es auf die Fähre ging. Auch hier trafen wir wieder auf ausnahmslos positive Reaktionen von Menschen, die interessiert an unserer Reise waren, nach einem Foto fragten oder mit erhobenen Daumen an uns vorbeiliefen, bzw. -fuhren. Der freundliche Eisverkäufer schenkte mir sogar eine Flasche Wasser für den Weg.

Schließlich kamen wir zu einem der beiden potentiellen Knackpunkte unserer Reise. "Bist du mit Donnie schon mal Fähre gefahren?" - "Nö… aber wird schon gutgehen!". Ging es, sogar völlig unproblematisch. "Ich habe eine Schaufel und Mülltüten dabei…" - "Ach was, die Pferdeäpfel machen wir gleich weg!". 1000 Dank!

Jenseits des Rheins verließen wir St. Goarshausen Richtung Nochern und auch, wenn mich die, in diesem Ausmaß nicht zu erwartende Offenheit und Freundlichkeit der Menschen sehr begeistert hatten, freute ich mich doch schon wieder sehr auf die Ruhe der Wald- und Feldwege des vorderen Taunus – schließlich kam ich den Anfängen meiner Reiterei hier mit jedem Schritt spürbar näher.

Kurz bevor wir unser heutiges Tagesziel erreichen sollten, nutzten wir einen kleinen Umweg, um eine gute Freundin, die ich schon sehr lange - über 20 Jahre – kenne, mit ihrer Familie zu besuchen. Das Schönste an solchen Freundschaften ist, dass sich nichts fremd, sondern alles immer noch vertraut anfühlt, selbst wenn man sich erst nach Jahren wiedersieht! Auch Donnie kam nicht zu kurz, durfte er sich doch neben dem Wiesengras auch an den frischen Möhren des hauseigenen Gemüsegartens gütlich tun.

Dann war es schließlich soweit: Wir machten uns auf die letzten Kilometer, bis wir auf dem Hofgut Falkenborn ankommen sollten - dem Ort, von dem aus ich vor 15 Jahren zu meinem aller ersten Wanderritten aufbrechen sollte (an die Etappen erinnere ich mich noch heute: 1. Tag: Hof Falkenborn, Dachsenhausen zum Rückerhof, Welschneudorf; 2. Tag: Tagesritt zum Schloss Montabaur; 3. Tag Heimweg).

"Hey Nomi, wenn alles glatt geht, bin ich in 30 Minuten da!" – "Alles klar, ich bin nochmal unterwegs, aber Marla zeigt dir alles. Ich habe auch den anderen Einstellern gesagt, dass du kommst, damit dich niemand wieder wegschickt." – Das ist nett, Danke! :-D

Da stand es nun, das alte, vertraute Holzschild: "Hof Falkenborn, Fam. Gräf – Schmidt, Pferdezucht, - aufzucht und – haltung." Geschafft! Nur noch wenige hundert Meter den Teerweg entlang und wirwürden am Ziel angekommen sein. Heute sollte unsere Reise zwar noch nicht zu Ende gehen, denn wir hatten auch hier ja noch zwei ganz besondere Tagesziele vor uns, aber wir würden schließlich bis Sonntag hier nächtigen, bevor wir uns mit dem Pferdehänger abholen lassen würden. Meine Gefühlslage lässt sich auch im Nachhinein nur schwer in Worte fassen: Freude ("Wir sind da!"), Erleichterung ("Wir haben es geschafft!"), Wehmut ("Wir sind schon da?"), Nervosität ("Wird es so schön, wie ich es mir so oft ausgemalt habe?")… Egal jetzt, es kommt, wie es kommt!

Und wie hätte es - selbst nach 15 Jahren Abwesenheit - auch anders sein können? "Ach…wir kennen uns doch! Andy, bist du das?" Die, sage und schreibe, ersten drei Einstellerinnen, die mir über den Weg liefen, kannte ich tatsächlich noch! Eine war wieder da, zwei immer noch – eine davon sogar noch mit ihrem Pferd von damals: "Ja, das ist der Raymon, der ist jetzt 17!".

"Komm, stell' Donnie zum Ankommen erst mal in die Box, wir bringen ihn dann nachher mit den anderen raus. Die kommen bei uns nachts auf die Weiden - wegen der Mücken. Ich führe dich gerne mal rum, dann kannst du dir in Ruhe ansehen, was sich alles verändert hat." Glücksgefühle pur! Ja, hier haben wir definitiv die richtige Unterkunft für den finalen Teil unserer Reise gefunden!

Tag 5: Hofgut Bissingen

Heute sollten wir uns also auf den voraussichtlich emotionalsten Ritttag begeben, auf den altbekannten Pfaden hin zu dem Ort reiten, an dem vor 30 Jahren in mir als kleinem, schmalem Jungen mit großen, gelben Gummistiefeln und blauem Fahrradhelm die Liebe zu den Ponys und der Reiterei entfacht wurde. Zuvor jedoch durfte ich noch einmal Zeuge der tollen Stallgemeinschaft auf dem Hof Falkenborn werden. Der am folgenden Wochenende terminierte Reitertag warf seine Schatten voraus. Überall wurden Spinnweben entfernt, Ecken entrümpelt, ja sogar Wände und Boxen frisch gestrichen! "Das machen wir eine Woche vorher immer so, damit alles schön ist und unsere Gäste sich wohl fühlen. Ja, es helfen immer so viele mit, wir haben einfach die tollsten Einsteller!" – Und schon fühlte ich mich wieder Jahrzehnte in der Zeit zurückversetzt, erinnerte mich lebhaft an die vielen, vielen Helfereinsätze, in denen wir Stangen gestrichen, Hecken geschnitten und unzählige weitere Arbeiten verrichtet haben, vor denen man sich zu Hause so gut es nur ging zu drücken wusste, die in der Stallgemeinschaft aber immer sehr schön und vor allem lustig waren – egal, ob man (wie ich) als Schulpferdekind, Reitbeteiligung oder Einsteller dabei war!

Nun aber los! Die Strecke hatte ich längst im Kopf: Runter zum Feld, am Krematorium vorbei, durch den Wald zur Forstmühle und von dort aus wieder bergauf - schöne Wege gibt es hier ja genug… Denkste! Die wunderschönen Wege gab es noch, ja. Allerdings langen hier so viele Bäume quer, dass wir selbst die Umwege, die ich mir vor Ort mal aus der topographischen Karte, mal aus OSM heraussuchte (wohl dem, der beides auf dem Smartphone dabeihat), oft nur mithilfe von Klettereinlagen und/oder meiner Säge meistern konnten. "DA habt ihr euch runtergeschafft? Na dann solltet ihr hier bestimmt auch wieder hochkommen!". Überdurchschnittlich abenteuerlich blieben die Wege hier im Braubacher Wald bis zum Schluss. Endlich hatten wir es aus dem Wald heraus auf die Höhe geschafft und in mir stieg – nachdem meine Aufmerksamkeit zuvor nahezu vollständig von der Wegewahl eingenommen war – tatsächlich doch noch die große Nostalgie auf: Hier durften wir früher mit den Ponys durch die Laubhaufen reiten! Meine Güte, sind die "neuen" Bäume auf dem Reitplatz groß geworden! Hier auf dem Parkplatz hat sich ja gar nichts verändert!..." Wir ritten über den Hof und ich klingelte am Haus der Besitzerfamilie Lebek. "Hi Susi, ich habe deiner Mama vor Jahren versprochen, dass ich sie irgendwann mal mit dem Pferd besuchen komme. Am Montag sind wir aufgebrochen, hier sind wir!" – Große Augen! "Ma…ma… kommst du mal? Kennst du den noch?" – Ja, wir kannten uns alle noch und hatten einsehr schönes Wiedersehen, wobei es mich sehr freute, dass auch ich den klassischen Turnierreiterinnen einmal etwas über das Wanderreiten, die Ausrüstung etc. näherbringen konnte - schließlich war Susi vor 30 Jahren eine meiner aller ersten Reitlehrerinnen! Im Anschluss besuchte ich noch einmal den alten, kleinen Springplatz, auf dem ich damals so oft im Sand gelegen und dabei umso mehr gelernt habe! Hier fand unsere "Allepaarwochenmalwiedersamstagsmorgensspringstunde" statt, die sicherlich ihresgleichen suchen dürfte!

Auf dem Rückweg ritten wir durch Braubach, vorbei an meinem ehemaligen Kindergarten, unserem Haus, in dem wir unterhalb der Marksburg wohnten, nachdem wir das Naheland verlassen hatten und weiteren, altbekannten Orten – begleitet von den stets freundlichen und interessierten Reaktionen der Passanten, Anwohner und Touristen: "Eimer Wasser für das Pferd?"; "We´`'re from England, we love horses, too! May I take a photo?" – Gerne doch!

Nach den Anstrengungen des Vormittags wollte ich beim Verlassen der Ortschaft auf Nummer sicher gehen und fragte nach dem Weg. "Links oder rechts?" – "Egal, alle Wege führen zum Krematorium!". Ist das jetzt gut oder schlecht? Bestimmt gut! Ich wähle gut! Wir ritten rechts und wurden mit einem wunderschönen Weg und fantastischen Aussichten über Vater Rhein, die Marksburg sowie die Land- und Ortschaften an beiden Flussufern belohnt! Schließlich erreichten wir die letzte "Forstautobahn" Richtung Stall, die letzte Barrikade aus umgestürzten Bäumen, ein letztes Mal sägen und klettern und unsere körperlich anstrengendste und emotional aufwühlendste Etappe ging zur Neige.

Tag 6: Nachtreffen der Bissinger

Heute sollte weniger der Ritt als die Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. Vor einigen Jahren keimte die Idee auf, möglichst viele Menschen zusammenzutrommeln, die sich irgendwie mit dem Stall verbunden fühlen, in dem auch für mich alles einmal begann. Diese Treffen sind immer wieder sehr schön, viele von uns hatten sich seit Jahren – einige sogar seit Jahrzehnten! – nicht mehr gesehen. Viele Anekdoten wurden erzählt und alte Bilder angesehen. In diesem Jahr mieteten wir die Grillhütte in Dachsenhausen, sodass ich zu Pferd anreisen konnte. Für Donnie sollten es entspannte sechs Tageskilometer werden. Vor Ort wurde ich anlässlich meines Jubiläums mit zwei "30er-Dekoketten" überrascht, die meine ehemalige Reitlehrerin Sibylle noch von "Kindergeburtstagen" übrig und an der Hütte aufgehängt hatte.

Als Bonus erfuhr ich hier noch zu meiner großen Freude, dass einer der anwesenden, ehemaligen Mitreiter beim hiesigen Forstamt tätig ist und dieser, selbst immer noch leidenschaftlicher Freizeitreiter, sich gerne dazu bereit erklärte, die von mir beschrittenen Wege einmal in natura zu inspizieren, um – auch für die lokale Naherholung – wieder etwas mehr Ordnung in den Wald bringen zu können! 

Tag 7: Der Heimweg

Bei der Planung stellte sich früh die Frage: "Hin und zurück reiten, oder nur hin, vor Ort noch reiten und sich dann abholen lassen?". Früh entschied ich mich für Variante 2. Doch wie heimkommen, wenn unser Auto den Wohnwagen ziehen sollte? Klar, man könnte zweimal fahren, aber da müsste es doch eine bessere Lösung geben… Und die gab es! Wir hatten das große Glück, dass sich unsere lieben Freunde Lara und Patrick vom Pferdehof Unterauerhell (auf dem wir auch immer unser Mailager abhalten, Hunsrück zu Pferd: Station 31) sofort bereit erklärten, uns mit ihrem Pferdehänger abholen zu kommen!

So kamen wir nach der Fährenfahrt schließlich zu Knackpunkt Nr. 2 unserer Reise: Geht Donnie auf den Hänger? Dazu muss man wissen, dass wir normalerweise von überall, wo es uns hin verschlägt, auch wieder zurückreiten. Verladen habe ich Donnie in den letzten acht Jahren (seit ich ihn habe) erst dreimal – notgedrungen. Es ging schließlich und auch hier möchte ich mich noch einmal für die ansteckende Geduld und Ruhe unserer beiden "Chauffeure" samt Nachwuchs bedanken!

Zurück im heimischen Offenstall war es wieder eine Freude zu sehen, wie herzlich Donnie von den anderen Pferden seiner gemischten Herde empfangen wurde! Juhu, der Chef ist wieder da!

Resümee

"Bitte fasse dich kurz! Wenn es zu lang wird, liest das keiner zu Ende!" - Gelungen ist mir das freilich nicht, obwohl es sogar noch so viel mehr zu erzählen gäbe! Ich riskiere es trotzdem.

Ich möchte an alle appellieren, das persönliche "Man müsste mal…" in ein "Auf geht´s!" zu verwandeln! "Man muss nicht immer in die Ferne schweifen", manchmal müssen wir für einen echten Tapetenwechsel nicht einmal unser Bundesland verlassen! Und was ich konnte, könnt Ihr erst recht – ein gesundes Pferd vorausgesetzt!

Die Ruhe und Schönheit von Hunsrück und Taunus, das Abenteuer der Rheinüberquerung, die Freundlichkeit, Offenheit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Menschen - all das kann wirklich jeder selbst finden, auch ohne gleich eine ganze Woche im Sattel zu sitzen – oder zu säumen! Es gibt unendlich viele Möglichkeiten!

Was ich suchte war Nostalgie, das Schwelgen in Erinnerungen.
Was ich fand, war pure Dankbarkeit!


Dankeschön

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei

  • meinem lieben, tapferen "Little Donnie" Daco.
  • meiner Frau für die Unterstützung vor Ort sowie in den Wochen vor und nach der Tour.
  • meinen Eltern für's "Babysitten", während wir unterwegs waren.
  • Lara und Patrick für's Abholen.
  • unseren herzlichen Gastgebern.
  • den Mitorganisatoren und Gästen unseres Nachtreffens.
  • allen freundlichen und hilfsbereiten Passanten und Anwohnern.
  • allen Freunden und Bekannten, die meine Tour interessiert verfolgt haben.


Anhang: Logbuch, Tipps und Anregungen


Logbuch

Tag 1: Tageskilometer: 26,5 km

Tag 2: Tageskilometer: 26,1 km; Station: Dilligsmühle, Kümbdchen

Tag 3: Tageskilometer: 41,1 km; Station: Biobauernhof Loreley, St. Goar Biebernheim

Tag 4: Tageskilometer: 24,0 km; Station: Hofgut Falkenborn, Dachsenhausen

Tag 5: Tageskilometer: 27,0 km; Rundweg: Falkenborn, Forstmühle, RV Bissingen, Falkenborn

Tag 6: Tageskilometer: 6,4 km; Rundweg: Falkenborn, Grillhütte Dachsenhausen, Falkenborn

Tag 7: Tageskilometer: 0 km; Heimreise

Stationssuche

Hunsrück zu Pferd und deren Partnerportale, VFD Wanderreitstationen, Wanderpfer.de und Wanderreitkarte.de

Routenplanung

Wanderreitkarte.de sowie entsprechende Apps, die auf OSM und/oder der topographischen Karte basieren.

Training und Know How

VFD-Treffs bieten immer wieder vielfältige und interessante Fortbildungsangebote zu den unterschiedlichsten Themen wie Routenplanung, Aus- und Weiterbildung von (zukünftigen) Wanderreitpferden, Fütterung auf Wanderritten etc. an – häufig sogar kostenfrei für Mitglieder!

Ebenfalls gibt es tolle YouTube-Tutorials, insbesondere zur Einarbeitung in Routing-Apps. Alle Videos, insbesondere von privaten Anbietern, sollten zur eigenen Sicherheit jedoch grundsätzlich kritisch betrachtet werden, da diese keinerlei Qualitätskontrollen unterliegen.


Andreas "Andy" Baldauf

Hallo, ich bin Andy, 41 Jahre alt, Vater einer dreiköpfigen Familie, Lehrer und seit 30 Jahren leidenschaftlicher Reiter. Meinen ersten, mehrtägigen Wanderritt durfte ich vor etwas mehr als 15 Jahren erleben.

Seit 8 Jahre an meiner Seite: Little Donnie Daco, kurz Donnie, mein 11-jähriger Appaloosa-Reitponymix-Wallach. Trotz - oder geraden wegen? - einigen, mehr oder weniger schweren Rückschlägen, wachsen wir so langsam aber sicher zum Wanderreit-Team zusammen. Seine "Feuertaufe" hat Donnie im Sommer 2020 mit Erfolg gemeistert, seitdem waren wir nun schon gemeinsam auf einigen Wanderritten unterwegs und er wird von Mal zu Mal routinierter. :-)